Was ist ARVC?
ARVC (arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie), auch ACM (arrhythmogene Kardiomyopathie) ist eine meist erbliche Herzmuskelerkrankung („Kardiomyopathie“) mit Herzrhythmusstörungen („arrhythmogen“), bei der Herzmuskelzellen durch Bindegewebe und Fett ersetzt werden, und die nicht erklärt werden kann durch eine
  • ischämische Herzerkrankung (Durchblutungsstörung, Angina pectoris, Herzinfarkt)
  • hypertensive Herzerkrankung (Bluthochdruck)
  • valvuläre Herzerkrankung (Herzklappenerkrankung)

Häufig verwendete Definitionen und Abkürzungen

  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC, ARVCM)
  • Arrhythmogene ventrikuläre Kardiomyopathie (AVC)
  • Arrhythmogene Kardiomyopathie (AC, ACM)
  • Arrhythmogene linksventrikuläre Kardiomyopathie (ALVC)
  • Links-dominante arrhythmogene Kardiomyopathie
  • Arrhythmogene biventrikuläre Kardiomyopathie (ABVC)
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD) – veralteter Begriff
  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
  • Arrhythmogene DCM
  • Nicht-dilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie (NDLVC)
  • z.B. DSP-Kardiomyopathie (Kardiomyopathie mit der Genvariante im Namen) u.a.

Warum gibt es so viele unterschiedliche Begriffe?

Das C steht in allen Abkürzungen für das englische “Cardiomyopathy“, deutsch Kardiomyopathie. Als die Erkrankung in den 1980er-Jahren entdeckt wurde, dachte man, die Herzmuskelzellen seien von Geburt an defekt angelegt, was zu der Benennung “Dysplasie” (abgekürzt D, Fehlanlage des Herzmuskels) führte. Später wurde klar, dass sich die Krankheit erst im Laufe des Lebens entwickelt, was zur Umbenennung in “Kardiomyopathie“ führte, d.h. Erkrankung des Herzmuskels. Mittlerweile ist bekannt, dass der Befall der rechten Herzkammer (ARVC) zwar die typische Form ist, dass aber auch die linke Herzkammer (ALVC) oder beide, die rechte und die linke gleichzeitig („biventrikuläre Form“), betroffen sein können. Da die linksbetonten Formen oft nicht als solche erkannt wurden, setzte sich in den Jahren seit ca. 2020 immer mehr die Nomenklatur ohne das R durch (AVC). Da auch die Vorhöfe betroffen sein können, wurde vielerorts auch das V für ventrikulär (die Herzkammer betreffend) aus dem Namen gestrichen. Eigentlich hatten wir gehofft, dass sich der Name “Arrhythmogene Kardiomyopathie” und die Abkürzung ACM durchsetzen würde.

Die European Society of Cardiology hat sich aber 2023 dazu entschlossen, doch wieder auf den Begriff ARVC für die typische rechtsbetonte Form zurückzukehren und die linksbetonten und beidseitigen Formen unter DCM (dilatativer Kardiomyopathie) oder NDLVC (nicht-dilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie) zu subsummieren. Da aus unserer Sicht die Herzrhythmusstörungen bei den meisten Betroffenen das erste Symptom ist und das Wort „arrhythmogen“ komplett aus der Nomenklatur der linksbetonten und beidseitigen Formen verschwunden ist, fürchten wir ein wenig, dass so noch mehr Betroffene undiagnostiziert bleiben.

Was passiert im Herzmuskel?

Im normalen Herz werden die Muskelzellen durch Proteine (Eiweißverbindungen) zusammengehalten. Bei ARVC-Patienten sind die Proteine anders entwickelt, und die Verbindungen zwischen den Muskelzellen lockern sich. Das passiert vor allem dann, wenn das Herz unter verstärkter mechanischer Beanspruchung steht, insbesondere bei starker körperlicher Belastung wie z.B. ausgeprägten sportlichen Aktivitäten.

In der Folge gehen Herzmuskelzellen zugrunde und sterben ab; sie werden dann in Bindegewebe umgewandelt und bilden Narben. Um das beschädigte Gewebe zu reparieren, bildet sich Fett.

Schlipp et al., 2014, Cardiovasc Res 104(2):245

Mögliche Folgen für die Betroffenen

  • Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) 
    Sitzen die Defekte an Stellen, über die die elektrische Erregungsleitung des Herzens läuft, kann es zu Arrhythmien kommen, da die Erregungsleitung verändert oder unterbrochen ist
  • Herzschwäche (Herzinsuffizienz) 
    Wegen der in Bindegewebe und Fett umgewandelten Zellen verliert das Herz an Pumpleistung, es wird schwächer

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FAQ ARVC – Häufig gestellte Fragen

Die geschätzte Häufigkeit der Erkrankung liegt bei 1:2000 bis 1:5000. Sie zählt daher zu den seltenen Erkrankungen.

Der Ort, wo die ersten Veränderungen im Herz auftreten, ist laut älteren Beschreibungen das sogenannte Dreieck der Dysplasie (der rechtsventrikulärer Ausflusstrakt, die Gegend unterhalb der Trikuspidalklappe und die seitliche Herzspitze der rechten Herzkammer). Inzwischen geht man davon aus, dass die ersten Herde basisnah, klappennah und in der Nähe des rechtsventrikulären Ausflusstrakts sitzen und weniger an der Herzspitze. Insbesondere sind die meisten Herde epikardial lokalisiert, das heißt außen direkt unter der umhüllenden Haut des Herzens, und nicht nur endokardial an der Innenseite der Herzkammer. Das ist besonders für eine eventuelle Ablation wichtig.

Wie auch bei einigen anderen Kardiomyopathien haben bei der klassischen ARVC männliche Anlageträger wohl hormonell und aktivitätsbedingt ein etwas höheres Risiko. Hohe Testosteronspiegel sind ungünstig, und viele Männer betreiben Sport intensiver als Frauen, hohe Östrogenspiegel scheinen schützend zu wirken. Das sind aber nur zwei mögliche Erklärungsmöglichkeiten. Richtige Beweise gibt es dafür nicht.
Allerdings gilt das ohnehin nur für die typische rechtsbetonte ARVC. Bei DSP-Genvarianten, bei denen oft auch nur die linke oder beide Herzkammern betroffen sind, sind z.B. mehr Frauen betroffen.

Dieser Befund benutzt augenscheinlich noch die alte Einteilung der ARVC nach Nummern, je nach zugrundeliegender Genvariante. Sie wird heute eigentlich nicht mehr verwendet.
ARVC 1: TGF-ß3 (transforming growth factor Beta 3) → heute eher kein ARVC-Gen mehr
ARVC 2: RYR2 (Ryanodin Rezeptor 2) → kein ARVC-Gen mehr, sondern Auslöser von CPVT
ARVC 3: auf Chromosom 14q12-q22
ARVC 4: auf Chromosom 2q32.1-q32.3 (linksventrikulär, LSB)
ARVC 5: TMEM43 (Transmembran-Protein 43)
ARVC 6: auf Chromosom 10p14-p12 (früher Beginn, hohe Penetranz)
ARVC 7: früher DES (Desmin) → wird jetzt als myofibrilläre Myopathie klassifiziert
ARVC 8: DSP (Desmoplakin )
ARVC 9: PKP2 (Plakophilin 2)
ARVC 10: DSG2 (Desmoglein 2)
ARVC 11: DSC2 (Desmocollin 2)
ARVC 12: JUP (Plakoglobin)
ARVC 13: CTNNA3 (Catenin Alpha 3) → eher kein ARVC-Gen mehr

Pocket-Leitlinie: Kardiomyopathien - Leitlinien für das Management von Kardiomyopathien (Version 2023)
Meder B, Eckardt L, Falk V et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2024/pocket-leitlinien-kardiomyopathien-version-2023/

2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies
Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR et al. ESC Scientific Document Group, Eur Heart J. 2023 Aug 25:ehad194
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M et al. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):3997-4126
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262

Vortrag „Arrhythmogenic Cardiomyopathy“
PD Dr. med. Ole Breithardt, ehemaliger Chefarzt der Agaplesion Diakonie Kliniken Kassel
Herzwochen der DGK - Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V., 15.10.2020

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin JA, McKenna WJ, Abrams DJ et al. Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Vortrag „ARVC – Einführung“
Prof. Dr. med. Andrea Baessler, Oberärztin am Universitätsklinikum Regensburg, Innere Medizin und Kardiologie
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 23.02.2019

Vortrag "Zell‐Zelladhäsion im Herzmuskel anhand der Arrhythmogenen Kardiomyopathie (AC)"
Prof. Dr. med. Jens Waschke, Lehrstuhl Anatomie I - vegetative Anatomie, LMU München
Anatomie-Vorlesung im 1. Semester des Medizinstudiums an der LMU München) 2019

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner A, Brunckhorst C, Duru F. Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623


Letzte Aktualisierung: 01.10.2024

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