GENTEST
PRO & KONTRA

Wenn man sich für eine genetische Testung entscheidet, ist vor allem eines wichtig: eine gute umfassende Aufklärung im Vorfeld der Testung und nach Befunderhalt. Im Folgenden wird das Für und Wider einer genetischen Testung erörtert.

Befürworter der genetischen Testung weisen vor allem auf die medizinischen und psychologischen Vorteile hin, Gegner sehen vor allem ethische, juristische, aber ebenso psychologische Probleme.

Argumente für eine genetische Testung (Pro)

  • Bestätigung der Diagnose bei Betroffenen mit Symptomen
    Einstufung der Diagnose als gesichert, grenzwertig oder möglich
  • Erhalt eines Namens für die Erkrankung
  • Abgrenzung von ähnlichen Herzerkrankungen (Differentialdiagnose)
  • Individuelle Risikoeinschätzung je nach der spezifischen Genvariante
    Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und plötzlichen Herztod und entsprechende Therapieentscheidungen
  • Informationen für eine krankheitsspezifische Behandlung
  • Entlastung durch einen negativen Genbefund
    Wahrscheinlichkeit von 50%, nicht betroffen zu sein
    Angehörige mit negativem Gentest können aus dem Follow-Up entlassen werden
    keine kardiologischen Untersuchungen mehr nötig
  • Relevanz für Nachkommen
    Früherkennung und Risikobewertung von Familienangehörigen ohne Symptome
  • Identifizierung gefährdeter Personen
  • Wissen um die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen bei positivem Genbefund
  • Verhindern (weiterer) schwerwiegender Ereignisse in einer Familie durch die Klarheit, wer gefährdet ist
  • Möglichkeit des Treffens von Lebensstilentscheidungen (z.B. Beenden von Leistungssport)
    dadurch positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs möglich
  • Möglichkeit der Unterstützung durch eine krankheitsspezifische Selbsthilfegruppe 🙂
  • Förderung der Forschung
  • Vergrößerung des Wissens über mutationsspezifische Besonderheiten und Risiken
  • In Zukunft mutationsspezifische Therapien (Gentherapie)
    derzeit noch nicht verfügbar, aber erste Studien auf dem Weg

Argumente gegen eine genetische Testung (Kontra)

  • Recht auf Nichtwissen
  • Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
  • familiäre Konflikte durch unterschiedlichen Umgang mit dem Testergebnis
  • soziale Diskriminierung aufgrund des Testergebnisses
  • psychische Folgen des Wissens um eine potentiell tödliche Erkrankung
  • unnötige Angst und Sorgen (z.B. bei Anlageträgern, die nicht oder nur leicht erkranken)
  • Schuldgefühle, als „Verursacher“ einer familiären Erkrankung identifiziert zu werden
  • Abstempeln eines Anlageträgers als krank trotz völliger Symptomfreiheit
  • kostspielige, belastende und unnötige medizinische Untersuchungen
  • falsche Schlussfolgerung aus der genetischen Testung
  • falsche Therapien oder Unterlassen richtiger Therapien
  • falsche Interpretation der Ergebnisse (s.a. Fachwissen)
  • Ausschluss vom Leistungssport
  • Probleme beim Abschluss von Versicherungen (Krankenversicherung, Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung)
  • Mitteilung der Diagnose und der Konsequenzen an die Angehörigen bleibt meist am Patienten hängen, was diesen überfordern kann
  • Familienangehörige fühlen sich zu alt oder zu jung
    Vorsicht: ARVC kann in jedem Lebensalter auftreten
  • Familienangehörige lehnen Testung ab, weil sie sich gesund fühlen
    Vorsicht: gefährlich, da viele Betroffene keine Symptome haben

Wer sich in einer ARVC-Familie mit bekannter Genvariante NICHT genetisch testen lässt, sollte sich unbedingt regelmäßig kardiologisch untersuchen lassen, damit erste Anzeichen einer Erkrankung frühzeitig entdeckt werden.

Mehr erfahren

Promise and Peril of a Genotype-First Approach to Mendelian Cardiovascular Disease
Asatryan B, Murray B, Tadros R, et al. J Am Heart Assoc. 2024 Oct 18:e033557
https://doi.org/10.1161/jaha.123.033557

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen – Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
Schulze-Bahr E, Klaassen S, Gerull B et al., Kardiologie 2023; 17:300–349
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00622-3

Pocket-Leitlinie: Kardiomyopathien - Leitlinien für das Management von Kardiomyopathien (Version 2023)
Meder B, Eckardt L, Falk V et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2024/pocket-leitlinien-kardiomyopathien-version-2023/

2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies
Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR et al. ESC Scientific Document Group, Eur Heart J. 2023 Aug 25:ehad194
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Vortrag „Genetik bei ARVC“
Prof. Dr. med. Eric Schulze-Bahr, Institut für Genetik von Herzerkrankungen, Universitätsklinikum Münster
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 17.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Vortrag „ACM: Kausale Gene, Umgang mit Varianten unklarer Signifikanz (VUS) und genetische Diagnostik bei Kindern“
PD Dr. med. Dominik Westphal, Munich Consortium des European Reference Networks ERN GUARD-Heart, Klinikum Rechts der Isar der TU München
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 16.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M et al. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):3997-4126
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262

European Heart Rhythm Association (EHRA)/Heart Rhythm Society (HRS)/Asia Pacific Heart Rhythm Society (APHRS)/Latin American Heart Rhythm Society (LAHRS) Expert Consensus Statement on the State of Genetic Testing for Cardiac Diseases
Wilde AAM, Semsarian C, Márquez MF et al. Heart Rhythm. 2022 Jul;19(7):e1-e60
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2022.03.1225

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin JA, McKenna WJ, Abrams DJ et al. Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Vortrag „Genetik bei ARVC, molekulare Autopsie und Register“
Prof. Dr. rer. nat. Hendrik Milting, Kardiogenetik Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen
Prof. Dr. Peter van Tintelen, Kardiogenetik, UMC Utrecht, Niederlande
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 23.02.2019
Vortragsfolien
https://www.youtube.com/watch?v=PzkIJuaihoQ

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: An Update on Pathophysiology, Genetics, Diagnosis, and Risk Stratification
Paul M, Wichter T, Fabritz L et al. Herzschrittmacherther Elektrophysiol. 2012 Sep;23(3):186-95
https://doi.org/10.1007/s00399-012-0233-7

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner A, Brunckhorst C, Duru F. Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623


Letzte Aktualisierung: 25.10.2024

Die Informationen dieser Website ersetzen keine ärztliche Beratung. Jeder Fall ist individuell. Gesamteinschätzung, Diagnose und Auswahl einer angemessenen Therapie gehören daher immer in die Hände eines erfahrenen Arztes. Gerne helfen wir, Kontakt zu Experten herzustellen, insbesondere auch, wenn es Probleme mit der genetischen Diagnostik gibt.