Aber ich bin doch nicht behindert…!
Der Status “schwerbehindert” klingt für viele zuerst erschreckend. Dabei kann er einige Erleichterungen im Alltag mit sich bringen. Die Anerkennung einer Behinderung soll einen Nachteilsausgleich für Menschen ermöglichen, die gesundheitlich eingeschränkt sind und nicht so am Leben teilhaben können wie andere.
Das betrifft nicht nur Aspekte im Beruf (z.B. mehr Urlaub, Kündigungsschutz etc.), die entlasten können. Auch in der Freizeit gibt es immer wieder Vergünstigungen für Inhaber eines Schwerbehindertenausweises (z.B. ermäßigte Eintrittskarten). Die konkreten Möglichkeiten hängen dabei meist vom Grad der Behinderung (GdB) ab.
Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und bekommt einen Schwerbehindertenausweis. Aber auch bei einem zu erwartenden GdB unter 50 kann ein Antrag Sinn machen.
Wo kann ich einen Antrag stellen und mich informieren?
Informationen rund um die Antragsstellung und den organisatorischen Ablauf erhalten Sie auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Hier finden sich auch Adressen der zuständigen Versorgungsämter, bei denen Anträge gestellt werden können:
Einfach Teilhaben: Informationen des Bundesministerium für Arbeit & Soziales
Nützliche allgemeine Informationen stellt auch die Stiftung Warentest bereit:
Informationen der Stiftung Warentest zum Thema Schwerbehinderung
Welchen Grad der Behinderung (GdB) bekommt man mit ARVC?
Der Grad der Behinderung wird nicht pauschal nach einer bestimmten Diagnose vergeben. Übrigens auch nicht bei häufigeren Herzerkrankungen! Die Einstufung richtet sich immer danach, wie stark jemand durch seine Erkrankung beeinträchtigt ist.
Und das kann auch für ARVC-Patienten ganz unterschiedlich sein:
Während ein Mutationsträger ohne jegliche Beschwerden ein weitestgehend normales Leben führt und vermutlich wenig Aussichten auf einen Schwerbehinderten-Status haben wird, kann ein ARVC-Patient mit schwerer Herzinsuffizienz, für den jeder Meter anstrengend ist, durchaus mit einer höheren Einstufung rechnen und auch das Merkzeichen G (Gehbehinderung) beantragen. Wer einen implantierten Defibrillator trägt, bekommt in der Regel automatisch einen GdB von mindestens 50 anerkannt.
- ÜBRIGENS
Wenn im Antrag mehrere Diagnosen angegeben sind, werden bei der Einstufung des Behindertengrades die Werte für einzelne Aspekte nicht einfach “zusammengezählt” (sonst könnte man auch schnell einmal über 100 kommen). Das Verfahren für solche Fälle ist komplexer.
Kriterien zur Einstufung
Richtlinien zur Einstufung finden sich als Tabelle in der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand 2020 (Kapitel 9: Herz und Kreislauf).
Diese Richtlinien stellen eine Orientierung dar, die genaue Berechnung ist vom Einzelfall abhängig. Möglicherweise relevante Aspekte für ARVC-Betroffene:
Einige ARVC-/ ACM-Patienten/ -innen haben eine Herzinsuffizienz, deren Auswirkungen hier eingehen können. Für die Einstufung ist die Belastbarkeit ausschlaggebend.
Tipp: bei ausgeprägter Herzschwäche oder Belastbarkeitseinschränkung lohnt auch der Antrag auf das Merkzeichen G (Gehbehinderung).
"Notwendige körperliche Leistungsbeschränkungen [...] sind wie Leistungsbeeinträchtigungen zu werten." (VersMedV, 9.1.1, S. 60)
Für sehr viele ARVC-Patienten gilt die Empfehlung, Sport nur in geringem Umfang auszuüben und intensivere Belastungen zu vermeiden - unabhängig davon, ob sie es (von der körperlichen Verfassung her) KÖNNTEN.
Dieser Aspekt kann hier mit einbezogen werden, wenn der Arzt es entsprechend deutlich macht (z.B. anhand klarer Maximal-Belastungsempfehlungen).
"Die Beurteilung des GdS richtet sich vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens." (VersMedV, Kapitel 9.1.6, S.60)
Auch bei Rhythmusstörungen geht es also vor allen Dingen darum, ob und wie stark sie sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken.
Besonderheiten:
- Anfallsweise auftretende Tachykardien können in bestimmten Fällen auch ohne Leistungseinschränkung mit einem GdB von 10-30 bewertet werden.
Bei andauernder Beeinträchtigung sind sie "...entsprechend zusätzlich zu bewerten" (zusätzlich zur Leistungseinschränkung) - Ventrikuläre tachykarde Rhythmusstörungen im Kindesalter werden mit einem Grad von wenigstens 60 bewertet (auch ohne Defibrillator)
Wer einen implantierten Defibrillator hat, bekommt automatisch einen GdB von mindestens 50 anerkannt und damit auch einen Schwerbehindertenausweis. Das ist unabhängig davon, aus welchem Grund der Defibrillator implantiert wurde.
Auch psychische Folge- und Begleiterkrankungen, wie z.B. Depression, Angst-/ Panikstörung oder Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) können im Antrag angegeben werden.
Widerspruch
Bei nicht nachvollziehbaren Einstufungen lohnt es sich, Widerspruch einzulegen und gut zu begründen. Dabei ist es hilfreich, die Kriterien zu kennen, nach denen die Bewertung erfolgt, um entsprechende Nachweise liefern zu können.
Wer hilft bei der Antragsstellung?
Die Antragstellung kann normalerweise einfach von zuhause aus erledigt werden.
Häufig hilft die Sozialberatung im Krankenhaus oder in der Rehaklinik bei der Antragsstellung. Da in Rehakliniken meist auch eine recht detaillierte Belastungseinschätzung erfolgt, wird dieser Bericht für die Beurteilung gerne herangezogen.
Eine Sozialberatung bietet übrigens auch der Bundesverband Herzkranke Kinder BVHK e.V. an, bei dem wir als ARVC-Selbsthilfe e.V. Mitglied sind.
Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/k710-versorgungsmed-verordnung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Stand 2020)
Informationen des Sozialverband VdK Deutschland e.V.
https://www.vdk.de/aktuelles/aktuelle-meldungen/artikel/grad-der-behinderung-gdb/ (zuletzt aufgerufen: 14.08.2024)
Letzte Aktualisierung: 07.10.2024