DIAGNOSTIK NACH
PLÖTZLICHEM HERZTOD

Der plötzliche Herztod eines Familienmitglieds ist für die Angehörigen ein unfassbarer Schock, insbesondere, wenn der oder die Betroffene vorher scheinbar völlig gesund war.
Manchmal führt erst ein plötzlicher Herztod zur Diagnose einer familiären Erkrankung. Je jünger der oder die Verstorbene, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine genetische Erkrankung ursächlich ist, auch wenn bis zu diesem Zeitpunkt niemand in der Familie etwas davon ahnen konnte.
Was “jung” in diesem Zusammenhang bedeutet, ist umstritten. Allgemeiner Konsens in den neuesten Leitlinien (z.B. der europäischen Herztodleitlinie von 2022) besteht mittlerweile bei einer Altersgrenze von 50 Jahren, das heißt jeder Herztodesfall vor dem 50. Lebensjahr sollte untersucht werden.

Nach einem plötzlichen Herztod junger Menschen ist eine sorgfältige Diagnostik beim Verstorbenen und dessen Familienangehörigen essenziell, um eine genetische Erkrankung nachzuweisen oder auszuschließen. Damit schützt man die Überlebenden!

Welche Untersuchungen sollten gemacht werden?

  • Obduktion (Autopsie)
    idealerweise Untersuchung des gesamten Körpers, vor allem aber Untersuchung des Herzens nach einem plötzlichen Herztod durch einen (möglichst spezialisierten Kardio-)Pathologen
    Suche nach typischen Veränderungen des Herzmuskelgewebes und der Herzwand
  • Histologische Untersuchung
    mikroskopische Untersuchung von Gewebeschnitten, insbesondere vom Herz
  • Toxikologie (insbesondere bei unklaren Todesfällen)
    Ausschluss von Giftstoffen, Medikamenten oder Drogen als mögliche Todesursache
  • Genetische Testung
    • Bei Verdacht auf eine familiäre Erkrankung
    • wenn die anderen Untersuchungen kein Ergebnis gebracht haben
    • ggf. Aufheben einer Blutprobe für eine spätere Analyse
  • Molekulare Autopsie
    Wenn eine Obduktion nicht gewünscht wird oder nicht mehr möglich ist, kann in ausgewählten Fällen auch eine reine genetische Testung nach dem Tod möglicherweise Aufschluss über eine potentielle familiäre Erkrankungen bringen

Wenn eine Obduktion nicht möglich oder von den Angehörigen so kurz nach dem Todesfall im Moment nicht erwünscht ist, sollte zumindest eine Blut- oder Gewebeprobe aufgehoben werden, damit eine genetische Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.

Welche Fragestellungen sind noch wichtig?

  • detaillierte Beschreibung der Todesumstände (durch Augenzeugen)
  • Symptome des/der Verstorbenen vor dem Tod
  • Familiengeschichte (Familienanamnese), s.a. PDF Anamnese
  • Begutachtung früherer medizinischer Akten/Befunde des/der Verstorbenen

In welchen Fällen sollte eine Obduktion durchgeführt werden?

Auf alle Fälle bei jedem Menschen, der unter dem 50. Lebensjahr an einem plötzlichen Herztod verstorben ist, idealerweise aber bei jedem plötzlichen und unerwarteten Todesfall in diesem Alter. Auch ein Unfall ohne äußere Einwirkung kann beispielsweise ein Hinweis auf einen Herztod sein.
Besonders wichtig ist eine Obduktion, wenn es in der Familie weitere Fälle von plötzlichem Herztod oder Herzerkrankungen bzw. Herzsymptomen gibt.

Finden sich bei der Autopsie entzündliche Veränderungen im Herzmuskel („Myokarditis“), kann sich dahinter manchmal eine bis dahin nicht erkannte ARVC verbergen!

Bei welcher Person sollte der Gentest durchgeführt werden?

Internationale und deutsche Leitlinien sehen vor, dass bei jedem Menschen, der unter dem 50. Lebensjahr an einem plötzlichen Herztod verstorben ist, ein Gentest durchgeführt werden sollte. In Deutschland ist ein Gentest bei Verstorbenen allerdings keine Kassenleistung.

Im Einzelfall kann bei unklaren Fällen eine sogenannte Trio-Untersuchung erwogen werden, bei der nicht nur das Blut des/der Verstorbenen, sondern auch das Blut beider Elternteile genetisch untersucht wird. Dabei können Varianten, die beim Indexpatienten (bei plötzlichem Herztod der oder die Verstorbene) gefunden werden, mit denen der Eltern abgeglichen werden. Eine solche Trio-Untersuchung ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn sorgfältig erhobene kardiologische Befunde der Angehörigen vorliegen.

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FAQ Diagnostik nach plötzlichem Herztod – Häufig gestellte Fragen

 

  • Blut, entnommen vom Notarzt
    wenn kein Blutröhrchen verfügbar ist, genügt es, Blut auf eine Papierkarte oder ein Baumwolltuch tropfen zu lassen und diese/s aufzuheben

  • Blut, entnommen bei der Obduktion
    falls kein Blut mehr vorhanden ist, kann eine Anzüchtung von Fibroblasten aus z.B. einem Blutgefäß versucht werden

  • Blut von vorherigen Untersuchungen

  • Gewebe (Haut, Milz)
    am besten tiefgekühlt/eingefroren, aber auch paraffiniert, wenn Schnitte für mikroskopische Untersuchungen gemacht wurden
    weniger geeignet ist in Formalin fixiertes Gewebe, kann aber notfalls auch verwenden

  • ggf. Zähne oder Knochen, wenn kein Blut oder Gewebe vorhanden ist (z.B. aufbewahrte Milchzähne des Verstorbenen)

  • ggf. persönliche Gegenstände des Verstorbenen (z.B. Zahnbürste, Kamm, Rasierer, Handy) mit Hautschuppenresten, wenn kein Material zur genetischen Untersuchung mehr vorhanden ist

  • ggf. Abstrich oder Speichelprobe vom Verstorbenen mittels Wattestäbchen (kann ggf. auch vom Bestatter entnommen werden)

  • nicht geeignet sind abgeschnittene Haare ohne die Haarwurzel

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen – Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
Schulze-Bahr, E., Klaassen, S., Gerull, B. et al., Kardiologie 2023; 17:300–349
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00622-3

Pocket-Leitlinie: Kardiomyopathien - Leitlinien für das Management von Kardiomyopathien (Version 2023)
Meder B, Eckardt L, Falk V et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2024/pocket-leitlinien-kardiomyopathien-version-2023/

2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies
Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR et al. ESC Scientific Document Group, Eur Heart J. 2023 Aug 25:ehad194
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
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2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
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https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Molekulare Autopsie: Verfrühte Todesfälle aufklären
Kauferstein S, Wolf C, Schunkert H, Bohle R et al. Dtsch Arztebl 2021; 118(12): A-624 / B-526
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Postmortale molekulargenetische Untersuchungen (molekulare Autopsie) bei kardiovaskulären und bei ungeklärten Todesfällen
Schulze-Bahr E, Dettmeyer RB, Klingel K et al. Kardiologe (2021)
https://doi.org/10.1007/s12181-020-00438-5

2020 APHRS/HRS expert consensus statement on the investigation of decedents with sudden unexplained death and patients with sudden cardiac arrest, and of their families
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https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2020.10.010

Sudden Cardiac Death in the Young
Bagnall RD, Singer ES, Tfelt-Hansen J. Heart Lung Circ. 2020 Apr;29(4):498-504
https://doi.org/10.1016/j.hlc.2019.11.007


Letzte Aktualisierung: 01.10.2024
Fachliche Überprüfung: Prof. Dr. Silke Kauferstein, Prof. Dr. Daniela Husser-Bollmann

Die Informationen dieser Website ersetzen keine ärztliche Beratung. Jeder Fall ist individuell. Gesamteinschätzung, Diagnose und Auswahl einer angemessenen Therapie gehören daher immer in die Hände eines erfahrenen Arztes. Gerne helfen wir, insbesondere bei ungeklärten plötzlichen Todesfällen, Kontakt zu Experten für plötzlichen Herztod herzustellen.