Seit 2010 wird die Diagnose ARVC in Zusammenschau von Anamnese und aller erhobenen Befunde auf der Basis der sogenannten Task-Force-Kriterien gestellt. Es gibt Hauptkriterien („major criteria“) und Nebenkriterien („minor criteria“), die in sechs verschiedenen Kategorien erhoben werden. Je nachdem, wie viele Kriterien welcher Art zutreffen, wird dann von einer gesicherten, grenzwertigen oder möglichen Diagnose gesprochen. Eine 100% sichere Diagnose kann nicht immer gestellt werden.
Wie werden die Diagnosekriterien erhoben?
In den 6 folgenden Kategorien werden Befunde erhoben und danach bewertet, ob in der jeweiligen Kategorie ein Major-, ein Minorkriterium oder keins von beiden vorliegt:
- Bildgebung (Echokardiographie und/oder MRT)
- Gewebeproben (Endomyokardbiopsie oder Autopsie)
- Repolarisationsstörung
- Depolarisations- bzw. AV-Überleitungsstörung
- Arrhythmien
- Familienanamnese bzw. Genetik
- CAVE
Aus jedem Bereich zählt nur ein Diagnosekriterium. Beispielsweise zählen eine positive Familienanamnese auf ARVC und der Nachweis einer genetischen Variante in der letzten Kategorie nur als ein Kriterium; ebenso wird ein pathologischer Befund im Echo und einer im MRT nur einmal gezählt. Es können also maximal 6 Hauptkriterien erfüllt werden.
Wie wird dann die Diagnose ARVC gestellt?
Von jeder Kategorie wird der schwerwiegendste Befund dokumentiert. Die Diagnose ARVC gilt am Ende als
- gesichert (engl.: definite)
- wenn 2 Majorkriterien zutreffen oder
- wenn 1 Major + 2 Minorkriterien zutreffen oder
- wenn 4 Minorkriterien zutreffen
- grenzwertig (engl.: borderline)
- wenn 2 Majorkriterien zutreffen oder
- wenn 1 Major + 1 Minorkriterium zutreffen oder
- wenn 3 Minorkriterien zutreffen
- möglich (engl.: possible)
- wenn 1 Majorkriterium zutrifft oder
- wenn 2 Minorkriterien zutreffen
Bei möglicher oder borderline ARVC sollten die Task-Force-Kriterien regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob nun doch eine gesicherte Diagnose vorliegt (z.B. durch neue Befunde wie dem Auftreten von >500 VES als Minorkriterium oder die Vergrößerung des RV, durch die in der Bildgebung ein Minor- zum Majorkriterium wird).
- CAVE
Eine gesicherte Diagnose gibt es sogar bei subjektiv völlig symptomfreien Personen. Dafür reicht beispielsweise eine ARVC-typische Genvariante und ein krankhafter Befund im MRT, der einem Hauptkriterium entspricht, aus.
Konsequenzen der Diagnosestellung
Bei PatientInnen mit gesicherter Diagnose muss als nächstes eine sorgfältige Risikoeinschätzung durchgeführt werden und die Therapieoptionen besprochen werden.
Betroffene mit möglicher oder borderline Diagnose (zu letzteren zählen z.B. alle Genvariantenträger, die im Rahmen eines Familienscreenings entdeckt wurden und weder Symptome noch krankhafte Befunde aufweisen) müssen engmaschig kardiologisch überwacht werden, um einen möglichen Erkrankungsbeginn bzw. eine Verschlechterung von Symptomen frühzeitig zu entdecken.
Problemfall linksbetonte und beidseitige Formen (ALVC / ACM / DCM / NDLVC)
Ein noch ungelöstes Problem bei der Diagnosestellung sind die linksbetonten Formen der ACM (ALVC), bei der die Diagnosekriterien, die für die typische rechtsbetonte ARVC entwickelt wurden, oft nicht zutreffen, obwohl (z.B. aufgrund einer typischen Genvariante und auffälligen Symptomen) eigentlich alles auf eine arrhythmogene Kardiomyopathie hindeutet. Nicht selten führt das dazu, dass bei Vorliegen einer Erkrankung des linken Herzens niemand an „ARVC“ denkt und die PatientInnen nicht diagnostiziert werden.
Domenico Corrado, ARVC-Spezialist aus Padua, hat deshalb 2020 einen Vorschlag für neue Diagnosekriterien erarbeitet, der auf den Task-Force-Kriterien von 2010 aufbaut, diese aber erweitert. Insbesondere wird in den sogenannten “Padua-Kriterien” berücksichtigt, dass auch die nicht so typischen Formen von ARVC bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden, zum Beispiel, wenn eine alleinige Beteiligung der linken Herzkammer (linksventrikulär, ALVC) oder eine Beteiligung beider Herzkammern (biventrikulär, AVC, ACM) vorliegt.
In der Kardiomyopathie-Leitlinie der European Society of Cardiology von 2023 werden die linksbetonten und beidseitigen Formen entweder der dilatativen Kardiomyopathie (DCM) und der neu definierten nicht-dilatativen linksventrikulären Kardiomyopathie (NDLVC) zugeschlagen.
- GUT ZU WISSEN
Die Padua-Kriterien müssen erst noch durch weitere Studien validiert werden. In 2024 wird mit der Erarbeitung eines neuen internationalen Konsensuspapiers begonnen, in dem die linksbetonten und biventrikulären Formen besser berücksichtigt werden sollen.
Mehr erfahren
Video der Ärztefortbildung „ACM/ARVC - Diagnosekriterien up-to-date“
PD Dr. med. Sebastian Clauß, Klinikum der LMU München
Ärztefortbildung des Munich Consortiums des European Reference Networks ERN GUARD-Heart „Arrhythmogene Kardiomyopathien (ACM)“ in Zusammenarbeit mit dem ARVC-Selbsthilfe e.V., St. Vinzenz Haus München, 16.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=6eTe6AZT9w8
Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: Evaluation of the Current Diagnostic Criteria and Differential Diagnosis
Corrado D, van Tintelen PJ, McKenna WJ et al. Eur Heart J. 2020 Apr 7;41(14):1414-1429
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz669
Diagnosis of arrhythmogenic cardiomyopathy: The Padua criteria
Corrado D, Perazzolo Marra M, Zorzi A. et al. Int J Cardiol. 2020;S0167-5273(20)33293-9
https://doi.org/10.1016/j.ijcard.2020.06.005
2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin JA, McKenna WJ, Abrams DJ et al. Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007
Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: An Update on Pathophysiology, Genetics, Diagnosis, and Risk Stratification
Paul M, Wichter T, Fabritz L et al. Herzschrittmacherther Elektrophysiol. 2012 Sep;23(3):186-95
https://doi.org/10.1007/s00399-012-0233-7
Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner A, Brunckhorst C, Duru F. Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623
Diagnosis of Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy/Dysplasia - Proposed Modification of the Task Force Criteria
Marcus FI, McKenna WJ, Sherrill D et al. Circulation. 2010;121:1533–1541
https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.108.840827
Diagnosis of arrhythmogenic right ventricular dysplasia/cardiomyopathy. Task Force of the Working Group Myocardial and Pericardial Disease of the European Society of Cardiology and of the Scientific Council on Cardiomyopathies of the International Society and Federation of Cardiology
McKenna WJ, Thiene G, Nava A et al. Br Heart J. 1994;71(3):215-218
https://doi.org/10.1136/hrt.71.3.215
Letzte Aktualisierung: 09.10.2024