(ÜBERLEBTER) PLÖTZLICHER HERZTOD

Plötzlicher Herztod – Plötzlicher Herzkreislaufstillstand

Der plötzliche Herztod bzw. Herz-Kreislauf-Stillstand eines Familienmitglieds ist für die Angehörigen ein unfassbarer Schock, insbesondere, wenn der Verstorbene vorher scheinbar gesund war. Die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod ist die koronare Herzerkrankung bzw. ein Herzinfarkt, aber gerade bei jungen Verstorbenen unter dem 50. Lebensjahr finden sich möglicherweise zu mehr als 50% familiäre Erkrankungen als Ursache, darunter auch ARVC. Insbesondere während oder kurz nach intensivem Sport kann unter anderem ARVC für einen plötzlichen Herztod verantwortlich sein. Gelegentlich führt sogar tragischerweise erst ein plötzlicher Herztodesfall zu der Diagnose ARVC in einer Familie. Dies kann auch in einem sehr jungen Lebensalter passieren.

Jede Familie, bei der plötzliche Herztodesfälle unter dem 50. Lebensjahr aufgetreten sind, sollte sich kardiologisch und evtl. auch genetisch untersuchen lassen, da ein nicht unerheblicher Prozentsatz plötzlicher Herztodesfälle in diesem Alter eine genetische Ursache haben kann. Eine sorgfältige Diagnostik ist deshalb essenziell und kann eine immense Bedeutung für ganze (Groß-)Familien haben. Durch die Identifizierung einer möglichen Genveränderung in einer Familie können Familienmitglieder, die eine Genvariante in sich tragen, identifiziert werden und so bereits vor dem Auftreten oder zu Beginn einer Symptomatik entdeckt und im Zweifelsfall behandelt werden. Das Risiko für das Auftreten weiterer plötzlichen Herztode in den betroffenen Familien wird so deutlich minimiert.

Die Aufklärung von plötzlichen Herztodesfällen bei jungen Menschen bis zum 50. Lebensjahr durch Obduktion, feingewebliche und genetische Untersuchung sowie die kardiologische Untersuchung der Angehörigen des/der Verstorbenen kann eine mögliche familiäre Erkrankung aufdecken. Eine Diagnose beantwortet nicht nur die quälende Frage nach dem „Warum?“, sondern kann sogar lebensrettend für die überlebenden Angehörigen sein.

Überlebter plötzlicher Herztod

Nicht weniger dramatisch für Familienangehörige, aber auch für die Betroffenen selbst, ist ein sogenannter „überlebter plötzlicher Herztod“. Dieser Ausdruck hat sich eingebürgert, obwohl die Begriffe „Herz-Tod“ und „Überleben“ eigentlich nicht zusammenpassen. Gemeint ist, dass jemand einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet, aber durch Wiederbelebungsmaßnahmen (Reanimation) wie Herzdruckmassage oder den Einsatz eines externen Defibrillators überlebt hat.

Die meisten ARVC-Patienten haben zumindest anfangs keine oder nur geringfügige Symptome. Manche sind aber trotzdem dem Risiko eines plötzlichen Herztods ausgesetzt. Ein plötzlicher Herztod ist Folge einer gefährlichen Herzrhythmusstörung, bei der das Herz viel zu schnell und völlig chaotisch schlägt (Kammerflimmern). Innerhalb kürzester Zeit steht das Herz dann still. Dieser Herzstillstand ist nicht zu verwechseln mit einem Herzinfarkt, bei dem die Blutzufuhr zum Herzen unterbrochen ist. Oft werden die Rhythmusstörungen durch körperliche Anstrengungen ausgelöst. Nicht wenige ARVC-Patienten erleben die erste lebensgefährliche Rhythmusstörung während des Sports oder in der Erholungsphase bis zu einer Stunde nach dem Sport.

Eine vulnerable Phase für potentiell tödliche Rhythmusstörungen besteht bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, insbesondere wenn diese noch nicht diagnostiziert sind. Im Schnitt treten sie mit Mitte 20 auf, grundsätzlich sind sie aber in jedem Lebensalter möglich.
Bestimmte Genvarianten führen häufiger zum plötzlichen Herztod als andere.

Plötzlicher Herztod – das Leben danach – ein berührendes Portrait zum überlebten Kammerflimmern unseres Gründungs- und ehemaligen Vorstandsmitglieds Korbinian Schütze und der herztransplantierten Tamara Schwab, deren zu spät erkannte linksbetonte ARVC einen dramatischen Verlauf nahm (fachliche Mitwirkung: unsere wissenschaftliche Beirätin Prof. Silke Kauferstein) findet sich hier.

Auch nach einem überlebten plötzlichen Herztod / Herz-Kreislauf-Stillstand sollte eine umfassende Diagnostik erfolgen, die neben EKG, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG und Echokardiographie unbedingt auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) und eine genetische Untersuchung beinhalten sollte.


(Überlebter) Plötzlicher Herztod beim Sport

Ein plötzlicher Herztod während oder bis zu einer Stunde nach dem Sport von jungen Menschen wird nicht selten durch eine genetisch bedingte Herzerkrankung verursacht. Zwar zählen zu den häufigeren Ursachen für einen Herztod beim Sport die hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie (HCM/HOCM), koronare Herzerkrankungen (z.B. Herzinfarkt) oder Myokarditis (Herzmuskelentzündung), aber auch ARVC trägt mit mindestens 4% zu den plötzlichen Herztodesfällen beim Sport bei, umso häufiger, je jünger die Personen sind.
Leistungssportler haben ein doppelt so hohes Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Herztod wie Freizeitsportler oder Sportmuffel.
Hier finden Sie mehr zu ARVC und Sport.

Um die Erforschung des plötzlichen Herztods beim Sport zu unterstützen, melden Sie bitte unbedingt als Angehöriger/Arzt/Trainer/Augenzeuge einen plötzlichen Herztod an das Register für (überlebten) plötzlichen Herztod beim Sport der Universität des Saarlands. Wenn Sie selbst einen plötzlichen Herztod/Herz-Kreislauf-Stillstand überlebt haben, können Sie diesen auch persönlich melden. Das Ausfüllen des Online-Formulars nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Mehr Erläuterungen dazu finden Sie auf der Unterseite „Studien“ hier.

Der Verzicht auf Leistungs-, Wettkampf-, und intensiven Ausdauersport sowie systematischem Training ist bei ARVC ein wichtiger Bestandteil der Prävention des plötzlichen Herztods.

Prävention des plötzlichen Herztods

Zunächst sollte im Rahmen der Diagnosestellung bei von ARVC Betroffenen anhand einer aktuellen kardiologischen Untersuchung eine sorgfältige Risikoeinschätzung vorgenommen werden. Das Risiko für lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen kann anhand verschiedener „Risikomarker“ relativ gut eingeschätzt werden. Sollte ein hohes Risiko für gefährliche Arrhythmien vorliegen, wird zur Vorbeugung eines plötzlichen Herztods die Implantation eines Defibrillators (ICD = implantable cardioverter/defibrillator) empfohlen. Diese Entscheidung für oder gegen den Einbau eines Defis ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die nach der Diagnosestellung getroffen werden muss. Deshalb  sollte die Risikoeinschätzung möglichst durch einen ARVC-erfahrenen Arzt vorgenommen werden. Die Entscheidung sollte gemeinsam von Arzt und Patient unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile eines ICD angesichts des individuellen Risikoprofils und der Lebenserwartung des Patienten getroffen werden.  Falls der Arzt keinen ICD empfiehlt, muss diese Entscheidung alle 1 – 2 Jahre im Hinblick darauf überprüft werden, ob sich die Symptomatik oder die Befunde geändert haben bzw. durch den Check-Up neu entdeckte Risikofaktoren dazu gekommen sind. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, sich – wenn keine eindeutige ICD-Indikation vorliegt – einen tragbaren externen Defibrillator (AED) anzuschaffen und/oder einen implantierbaren Ereignisrekorder einsetzen zu lassen, der Herzrhythmusstörungen frühzeitig erkennt.

Zum Schutz vor einem plötzlichen Herztod können Sie als ACM/ARVC-Patient aber auch – neben dem oben erwähnten Einbau eines Defibrillators – selbst beitragen. Es sind nämlich neben den von Ihnen nicht beeinflussbaren Risikofaktoren noch andere Faktoren bekannt, die das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erhöhen können. Als Trigger gelten:

  • katecholaminerger Stress (körperliche Anstrengung oder psychischer Stress, der zur Ausschüttung von Katecholaminen wie Adrenalin führt)
  • Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
  • Dehnungsreize/ mechanischer Stress auf die rechte Herzkammer wie bei intensivem Training oder Leistungs-/Wettkampf-Sport

Daher können Sie das Risiko eines plötzlichen Herztods verringern durch folgende Maßnahmen:

Plötzlicher Herztod – wo finde ich Hilfe?

Hilfe unterschiedlichster Art finden Sie

  • in einem Zentrum für plötzlichen Herztod (z.B. in Frankfurt)
  • in Spezialambulanzen für genetische Herzerkrankungen, die auf die Diagnostik nach einem plötzlichen Herztod spezialisiert sind
  • viele dieser Ambulanzen finden Sie im se-Atlas unter dem Stichwort ARVC oder anderen genetischen Herzerkrankungen (HCM/HOCM, DCM, Brugada-Syndrom, CPVT, Long-QT-Syndrom, Short-QT-Syndrom)
  • bei unseren wissenschaftlichen Beiräten, die beratend zur Verfügung stehen
  • bei Psychologen, Psychotherapeuten oder spezialisierten Traumatherapeuten
  • bei Selbsthilfeorganisationen
  • bei Trauerbegleitern, z.B. beim Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. und dessen regionalen Gruppen, die Trauerbegleitung für Eltern anbieten, deren Kind verstorben ist

Vermeiden Sie außer intensivem Sport und Leistungssport jede Art von intensiver körperlicher Anstrengung, aber auch psychischen Stress, soweit dieser beeinflussbar ist. Entwickeln Sie Strategien, wie stressige Situationen bereits im Vorfeld vermieden werden können (z.B. im Zweifelsfall lieber keinen Sprint zur einfahrenden S-Bahn einlegen, sondern lieber in Ruhe auf die nächste warten). Erlernen Sie Techniken, um unvermeidliche Stresssituationen besser bewältigen zu können. Was Methoden zur Entspannung und Psychohygiene angeht, verweisen wir auf unsere Seite zum psychischen Umgang mit der Erkrankung.

Kurieren Sie auf jeden Fall Infekte gründlich aus, gehen Sie nicht verfrüht wieder arbeiten, treiben Sie während Infekten gar keinen Sport und senken Sie großzügig Fieber, z.B. mit Paracetamol.

Buchempfehlungen

Buch-Tipp „Mein Speed-Dating mit dem Tod “, Tamara Schwab (2020)

In ihrem Erstling denkt Tamara noch, dass sie eine Herzmuskelentzündung hat und deshalb dem Tod mehrfach von der Schippe springt. Mit viel Humor beschreibt sie ihre Odyssee durch Krankenhäuser und Rehas. Erst nach fünf Jahren und nach Beendigung dieses Buchs erhält sie die Diagnose ARVC/ALVC bzw. DSP-Kardiomyopathie.

Buch-Tipp „Was ist schon für immer – Vom Leben mit der Endlichkeit“, Katja Lewina (2024)

Katjas ARVC wurde tragischerweise erst nach dem plötzlichen Herztod ihres 7-jährigen Sohns diagnostiziert. In ihrem Buch beschäftigt sie sich mit den existenziellen Fragen des Lebens – berührend nicht nur für ARVCler mit Todesfällen in der Familie, sondern auch für alle anderen, die sich solchen Fragen stellen müssen…(Rezension Dumont)

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FAQ Plötzlicher Herztod – Häufig gestellte Fragen

Es gibt unterschiedliche familiäre Erkrankungen, die zu einem plötzlichen Herztod führen können. Unter dem 50. Lebensjahr kann ein plötzlicher Herztod möglicherweise zu mehr als 50% von Ionenkanalerkrankungen oder Herzmuskelerkrankungen verursacht werden. Zwar sind bei Kindern eher Ionenkanalerkrankungen verantwortlich und bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher Kardiomyopathien, aber beide Erkrankungsarten können theoretisch in jedem Alter zu einem plötzlichen Herztod führen.

Bei den sogenannten Ionenkanalerkrankungen (auch Channelopathien) ist nur die Reizleitung, also die „Elektrik“ des Herzens, defekt, die Struktur des Herzmuskels aber normal. Dazu zählen:

  • Brugada-Syndrom
  • CPVT (katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie)
  • Long-QT-Syndrom
  • Short-QT-Syndrom


Bei den Kardiomyopathien ist die Struktur des Herzmuskels verändert und führt erst dadurch zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen bis hin zu einem plötzlichen Herztod. Dazu gehören:

  • ARVC (arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie)
  • DCM (dilatative Kardiomyopathie)
  • HCM (hypertrophe Kardiomyopathie)
  • HOCM (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie)
  • LVNC (linksventrikuläre Non-compaction Kardiomyopathie)
  • NDLVC (nicht-dilatierte linksventrikuläre Kardiomyopathie)
  • RCM (restriktive Kardiomyopathie)


Außerdem gibt es Erkrankungen, die frühzeitig zu einer koronaren Herzerkrankung bzw. einem Herzinfarkt führen können, beispielsweise

  • eine familiäre Hypercholesterinämie
  • eine angeborene Veränderung der Herzkranzgefäße


Auch (anatomische) angeborene Herzfehler können zu einem plötzlichen Herztod führen.

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen - Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
Schulze-Bahr E, Klaassen S, Gerull B et al. Kardiologie 2023・17:300–349
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00622-3

Kommentar zu den Leitlinien 2022 der ESC zu ventrikulären Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes
Eckardt L, Könemann H, Bosch R et al. Kardiologie 2023; 17:27–38
https://doi.org/10.1007/s12181-022-00589-7

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M et al. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):3997-4126
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262

Plötzlicher Herztod: Drogenintoxikation oder kardiale Erkrankung?
Schubert A, Damm M, Biller R in: Rettungsdienst, 44. Jahrgang, Nr. 5 (5/2021), S. 470-474
> Fachartikel (PDF) 

Molekulare Autopsie: Verfrühte Todesfälle aufklären
Kauferstein S, Wolf C, Schunkert H, Bohle R et al. Dtsch Arztebl 2021; 118(12): A-624 / B-526
Artikel im Deutschen Ärzteblatt 2021 

Postmortale molekulargenetische Untersuchungen (molekulare Autopsie) bei kardiovaskulären und bei ungeklärten Todesfällen
Schulze-Bahr E, Dettmeyer RB, Klingel K et al. Kardiologe (2021)
https://doi.org/10.1007/s12181-020-00438-5 

2020 APHRS/HRS expert consensus statement on the investigation of decedents with sudden unexplained death and patients with sudden cardiac arrest, and of their families
Stiles MK, Wilde AAM, Abrams DJ et al. Heart Rhythm. 2021 Jan;18(1):e1-e50
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2020.10.010 

Sudden Cardiac Death in the Young
Bagnall RD, Singer ES, Tfelt-Hansen J; Heart Lung Circ. 2020 Apr;29(4):498-504
https://doi.org/10.1016/j.hlc.2019.11.007 


Letzte Aktualisierung: 16.10.2024
Fachliche Überprüfung: Prof. Dr. Silke Kauferstein

Die Informationen dieser Website ersetzen keine ärztliche Beratung. Jeder Fall ist individuell. Gesamteinschätzung, Diagnose und Auswahl einer angemessenen Therapie gehören daher immer in die Hände eines erfahrenen Arztes. Gerne helfen wir, insbesondere bei ungeklärten plötzlichen Todesfällen, Kontakt zu Experten für plötzlichen Herztod herzustellen.