GENETISCHE TESTUNG

Der Gentest (auch DNA-Analyse, DNA-Test, DNS-Analyse, DNS-Test, Genanalyse) ist eine Analyse von Genen, die typischerweise bei Patienten mit einer bestimmten Erkrankung oder Erkrankungsgruppe von Genvarianten betroffen sind. Bei ARVC wird gezielt nach Genveränderungen (Genvarianten, früher auch Genmutationen genannt) in den typischen krankheitsverursachenden Genen gesucht. Für diesen Test wird Erbmaterial gebraucht, das in den meisten Fällen aus Blutzellen gewonnen wird, sodass eine einfache Blutentnahme aus der Vene ausreicht.

Idealerweise wird die Untersuchung mit einer genetischen Beratung verbunden, in einem zertifizierten Speziallabor durchgeführt und von einem multidisziplinären Team aus Genetiker/innen und Kardiolog/innen beurteilt.

Gesetzliche Grundlage für eine genetische Untersuchung ist das am 1.2.2010 in Kraft getretene Gendiagnostikgesetz (GenDG). Die wichtigsten gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung eines Gentests haben wir hier für Sie zusammengefasst. Wenn wegen verdächtiger Symptome oder Befunde die klinische Diagnose einer ARVC gestellt wurde, oder ein Verdacht auf die Erkrankung besteht, kann jeder Arzt zur Diagnosesicherung eine genetische Untersuchung anordnen, um die Diagnose zu sichern, auch der Haus- oder Kinderarzt.

In allen Leitlinien wird bei Verdacht auf ARVC, bei gesicherter Diagnose von ARVC oder einer anderen Kardiomyopathie eine genetische Beratung und ein Gentest empfohlen. Wurde in einer Familie bereits eine (wahrscheinlich) krankheitsverursachende Genvariante gefunden, dann wird allen Familienangehörigen ersten Grades (Eltern, Geschwistern und Kindern) ein Gentest empfohlen.

Wer wird getestet?

Der Indexpatient (englisch „proband“) ist der erste Patient in einer Familie, bei dem der Verdacht auf eine genetische Erkrankung aufkommt. Sobald bei dieser Person die Verdachtsdiagnose ARVC oder unklare Kardiomyopathie gestellt wird oder bereits die Diagnosekriterien erfüllt sind, wird empfohlen, sie genetisch zu untersuchen.

Die Testung (zumindest auf die aktuell empfohlenen Hauptgene bzw. ein ARVC-Panel) wird in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Bei privat Versicherten muss ein Antrag auf Kostenübernahme mit Kostenvoranschlag gestellt werden. Bei breiteren Kardiopanels (wenn die Diagnose unklar ist und der Patient auf mehrere möglichen Erkrankungen untersucht werden soll) gibt es immer wieder Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme.

Manchmal kommt der Verdacht auf ARVC erst durch einen Todesfall in der Familie auf, nicht selten von jungen, scheinbar völlig gesunden jungen Menschen. Idealerweise sollte der Gentest dann bei dem Verstorbenen erfolgen, insbesondere wenn der plötzliche Herztod vor dem 50. Lebensjahr eintritt.
Sinnvollerweise sollte dem Gentest eine Obduktion vorausgehen, um mögliche strukturelle Veränderungen am Herzen zu finden. Das Fehlen solcher Veränderungen schließt eine ARVC allerdings nicht von vornherein aus. Besonders in solchen Fällen einer „negativen“, also unauffälligen Obduktion sollte ein Gentest durchgeführt werden, möglichst auch auf andere genetische Herzerkrankungen.

Dieser Test kann, je nach Verfügbarkeit, an Blut, eingefrorenem Gewebe, Fibroblasten, einer Hautbiopsie oder auch an in Formalin fixiertem Gewebe vorgenommen werden.
Der Gentest bei Verstorbenen wird derzeit leider in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen oder bleibt eine Einzelfallentscheidung, für deren Durchsetzung den Angehörigen in dieser belastenden Situation oft die Kraft fehlt. Dennoch sollte wenigstens Blut und/oder Gewebe des/r Verstorbenen gesichert werden. Dadurch sichert man sich die Möglichkeit, innerhalb der folgenden Jahre später doch noch einen Gentest durchzuführen.

Mehr Informationen im Abschnitt "Diagnostik nach plötzlichem Herztod"

Kann beim Indexpatienten oder beim Verstorbenen eine (wahrscheinlich) krankheitsauslösende Genvariante (s.a. hier) identifiziert werden, so sollte Familienangehörigen (Verwandten ersten Grades, d.h. Eltern, Geschwister und Kinder) zu einem sogenannten Familienscreening geraten werden. Dabei kann neben der empfohlenen klinisch-kardiologischen Untersuchung der Familienangehörigen auch untersucht werden, ob auch sie von der Genveränderung des Indexpatienten betroffen sind oder nicht.

Die Genveränderung stammt in über 98% der Fälle von einem Elternteil des Indexpatienten, also vom Vater oder der Mutter. Eine genetische Testung der Eltern ist deshalb unbedingt sinnvoll, auch wenn sie sich subjektiv gesund fühlen. Bei einem Teil der Familien kann eine familiäre Genvariante nur indirekt über ein weiteres betroffenes Geschwisterkind des Indexpatienten bewiesen werden, weil das betroffene Elternteil nicht getestet werden kann oder will (z.B. weil es verstorben ist, sich für gesund oder zu alt hält oder eine Testung ablehnt).

Bei weniger als 2% der Indexpatienten findet sich eine sogenannte "de novo" Genvariante, die neu beim Patienten entstanden ist und nicht von einem Elternteil vererbt wurde.

Die Testung von symptomfreien Angehörigen im Rahmen eines Familienscreenings nennt man „prädiktive Testung“, weil man damit bei völlig beschwerdefreien Personen eine eventuelle spätere Erkrankung „vorhersagt“. Prädiktive Testungen werden in der Regel nur bei Varianten der Klasse 4 und 5 durchgeführt, wenn also die Varianten als (wahrscheinlich) krankheitsauslösend eingestuft werden. Vor einer prädiktiven Testung ist eine genetische Beratung vorgeschrieben und eine schriftliche Einwilligung nötig. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Angehörigen mit allen Informationen zu ARVC versorgt werden, um sich für oder gegen eine Untersuchung auf die Genvariante zu entscheiden. Die genetische Beratung kann ein ein/e Humangenetiker/in oder ein/e Kardiologe/in mit einer Zusatzqualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung durchführen.

Die Nachkommen von Anlageträgern mit „positivem“ Gentest haben eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, die Genvariante auch zu tragen, aber ebenso eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, kein Anlageträger und somit gesund zu sein. Wenn sie kein Anlageträger sind, können sie die Variante auch nicht an ihre Nachkommen weitergeben. Damit ist die ARVC dann in diesem Familienzweig „ausgestorben“.

Bei den positiv getesteten Anlageträgern geht es dann kaskadenartig weiter mit dem Familienscreening: es können weitere Familienangehörige getestet werden (also z.B. Enkel, Nichten und Neffen des Indexpatienten, sofern die Kinder oder Geschwister als Anlageträger identifiziert wurden).

Das Familienscreening wird deshalb unbedingt empfohlen, weil ca. 85% der Familienangehörigen eines Indexpatienten zunächst symptomlos sind (manche auch vermeintlich symptomlos, weil möglicherweise bereits bestehende Symptome subjektiv nicht als krankhaft eingestuft wurden). Ein nicht unerheblicher Prozentsatz dieser asymptomatischen Familienangehörigen entwickelt aber bereits in den nächsten Jahren erste Symptome und kann nun mit dem Wissen um die Erkrankung geschützt werden. Außerdem besteht für sie die Möglichkeit, ihr Risiko zu minimieren (durch Lifestyle-Änderungen, Medikamente und ggf. einen ICD).

Deshalb lastet auf dem Indexpatienten eine hohe Verantwortung, seine Familie dazu zu motivieren, sich ärztlich und genetisch beraten zu lassen. Die Realität ist allerdings, dass nicht selten Familienangehörige eines Indexpatienten auf eine Testung verzichten und sich gar nicht testen oder nur kardiologisch untersuchen lassen, obwohl ein Gentest sinnvoll wäre.

Was wird getestet?

Die Gewinnung des Erbmaterials, auch DNA oder DNS, erfolgt meist aus einer Blutprobe. Dazu ist eine Blutabnahme aus der Vene nötig, ein EDTA-Röhrchen, ähnlich wie für ein Blutbild, reicht in der Regel aus. Andere „Gewebearten“ oder sogar ein Tropfen Trockenblut können manchmal auch ausreichend sein.

Das Blut wird heute meist mittels Genpanels untersucht. Dabei werden die Gene, die typischerweise bei der Erkrankung ARVC von Varianten betroffen sind, in einem Durchgang gleichzeitig analysiert. Man spricht von einer Paneluntersuchung.

Manchmal werden auch ausgedehntere genetische Untersuchungen nötig. Dabei können zusätzliche seltenere Gene oder das gesamte kodierende Genom (WESWhole Exome Sequencing, ca. 20.000 Gene) untersucht werden. Die Entscheidung, was dem Ratsuchenden im Einzelfall empfohlen wird, trifft meist ein Team aus Humangenetiker/-innen und Kardiologen/-innen bzw. Rhythmologen/-innen.

Ein Whole Genome Sequencing (WGS), die Untersuchung auf alle menschlichen Gene, wird derzeit nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien durchgeführt.

Der Gentest bei Kindern kann auch an Speichel oder einem Abstrich an der Wangenschleimhaut durchgeführt werden.

Welche ARVC-Gene genau getestet werden, ist von Labor zu Labor unterschiedlich. Nach dem Konsensuspapier von 2022 zur genetischen Testung sollten mindestens 9 – 10 Gene der typischerweise betroffenen Gene untersucht werden. Bei unklarer Diagnose können auch Gene verwandter oder überlappender Erkrankungen, wie z.B. Ionenkanalerkrankungen (Long-QT-Syndrom / Short-QT-Syndrom / Brugada-Syndrom / CPVT) oder anderer Kardiomyopathien (HCM / DCM / NDLVC / LVNCM) untersucht werden.

Das Ergebnis des Gentests

Wird eine (wahrscheinlich) krankheitsverursachende Genvariante gefunden, dann ist der Gentest im medizinischen Sprachgebrauch „positiv“. Wird keine Genveränderung gefunden, ist der Gentest „negativ“. In welchen Genen Veränderungen als ARVC verursachend gelten, können Sie hier nachlesen.
Aus dem Testergebnis ergeben sich diverse Szenarien, je nachdem, ob bereits Symptome bestehen und wie der Test ausfällt:

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FAQ Gentest – Häufig gestellte Fragen

Bei Verdacht auf ARVC wird der Test von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel problemlos übernommen, ebenso der Test auf eine bereits bekannte Mutation bei Angehörigen im Rahmen eines Familienscreenings.
Bei privaten Krankenkassen gibt es immer wieder Schwierigkeiten, obwohl die Leitlinien eindeutig einen Gentest empfehlen. Man muss einen Kostenvoranschlag einholen, und immer wieder kommt es zu Ablehnungen. Legen Sie dagegen unbedingt Widerspruch ein.

Nein, eine neu diagnostizierte Erkrankung führt nicht zur Tariferhöhung. Außerdem macht es keinen Unterschied, ob man die Diagnose ARVC über die Diagnosekriterien erhält, oder ob zusätzlich noch ein Gentest als Bestätigung dient.
Bei privaten Krankenversicherungen kann allerdings ein Neuabschluss schwierig werden. Eine private Krankenversicherung kann ARVC-Patienten ablehnen oder sie nur mit Risikozuschlag versichern.

Nein, eine anonyme Testung ist nicht möglich.

Nein. Wenn bei dem Angehörigen bereits eine krankheitsauslösende Genvariante gefunden wurde, wird man nur darauf untersucht, ob man ebenfalls Anlageträger für diese spezielle Variante ist.

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen – Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
Schulze-Bahr E, Klaassen S, Gerull B et al., Kardiologie 2023; 17:300–349
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00622-3

Pocket-Leitlinie: Kardiomyopathien - Leitlinien für das Management von Kardiomyopathien (Version 2023)
Meder B, Eckardt L, Falk V et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2024/pocket-leitlinien-kardiomyopathien-version-2023/

2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies
Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR et al. ESC Scientific Document Group, Eur Heart J. 2023 Aug 25:ehad194
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Vortrag „Genetik bei ARVC“
Prof. Dr. med. Eric Schulze-Bahr, Institut für Genetik von Herzerkrankungen, Universitätsklinikum Münster
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 17.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Vortrag „ACM: Kausale Gene, Umgang mit Varianten unklarer Signifikanz (VUS) und genetische Diagnostik bei Kindern“
PD Dr. med. Dominik Westphal, Munich Consortium des European Reference Networks ERN GUARD-Heart, Klinikum Rechts der Isar der TU München
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 16.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M et al. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):3997-4126
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262

European Heart Rhythm Association (EHRA)/Heart Rhythm Society (HRS)/Asia Pacific Heart Rhythm Society (APHRS)/Latin American Heart Rhythm Society (LAHRS) Expert Consensus Statement on the State of Genetic Testing for Cardiac Diseases
Wilde AAM, Semsarian C, Márquez MF et al. Heart Rhythm. 2022 Jul;19(7):e1-e60
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2022.03.1225

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin JA, McKenna WJ, Abrams DJ et al. Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Vortrag „Genetik bei ARVC, molekulare Autopsie und Register“
Prof. Dr. rer. nat. Hendrik Milting, Kardiogenetik Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen
Prof. Dr. Peter van Tintelen, Kardiogenetik, UMC Utrecht, Niederlande
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 23.02.2019
Vortragsfolien
https://www.youtube.com/watch?v=PzkIJuaihoQ

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: An Update on Pathophysiology, Genetics, Diagnosis, and Risk Stratification
Paul M, Wichter T, Fabritz L et al. Herzschrittmacherther Elektrophysiol. 2012 Sep;23(3):186-95
https://doi.org/10.1007/s00399-012-0233-7

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner A, Brunckhorst C, Duru F. Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623


Letzte Aktualisierung: 01.10.2024
Fachliche Überprüfung: Prof. Dr. Daniela Husser-Bollmann

Die Informationen dieser Website ersetzen keine ärztliche Beratung. Jeder Fall ist individuell. Gesamteinschätzung, Diagnose und Auswahl einer angemessenen Therapie gehören daher immer in die Hände eines erfahrenen Arztes. Gerne helfen wir, Kontakte zu Experten herzustellen, insbesondere auch, wenn es Probleme mit der genetischen Diagnostik gibt.