GENETISCHE DIAGNOSE-
KRITERIEN

Der Genbefund als Diagnosekriterium für ARVC

Der Nachweis einer ARVC verursachenden Genvariante (ein sogenannter „positiver Gentest“) gilt als Hauptkriterium (Major-Kriterium) für ARVC / ACM. Allein mit einer krankheitsverursachenden Genveränderung hat man dann, ohne dass noch ein einziges Symptom oder ein krankhafter Befund dazukommen müsste, bereits eine „mögliche ARVC“ (possible). Das trifft z.B. auf eine Vielzahl der Familienangehörigen zu, die im Rahmen eines Familienscreenings auf die Genvariante des betroffenen Familienmitglieds untersucht werden.

Um eine gesicherte ARVC-Diagnose zu erhalten, müssen aber zusätzlich ein weiteres Haupt- oder zwei weitere Nebenkriterien zutreffen. Mehr dazu bei den Diagnosekriterien.

Wann gilt eine Genvariante als krankheitsverursachend?

Das ACMG (American College of Medical Genetics) teilt die Genvarianten in 5 verschiedene Klassen ein:

  • Klasse 5: pathogen, d.h. eindeutig krankheitsverursachend (engl. pathogenic)
  • Klasse 4: wahrscheinlich pathogen / krankheitsverursachend (engl. likely pathogenic)
  • Klasse 3: VUS – Variante unklarer Signifikanz / Relevanz, unklar pathogen / krankheitsverursachend (engl. variant of unclear / uncertain significance)
  • Klasse 2: wahrscheinlich gutartig, wahrscheinliche Normvariante (engl. likely benign)
  • Klasse 1: gutartig, Normvariante ohne Bedeutung für die Erkrankung (engl.benign)

Die Genveränderungen, die in Klasse 4 oder 5 eingestuft werden, gelten mit einem unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrad (s.o.) als ursächlich für die Erkrankung und bestätigen somit oft die Diagnose einer arrhythmogenen Kardiomyopathie. Für die Einstufung gibt es einen ausgefeilten Katalog von Kriterien, die dann am Ende zur Klassifizierung der Genvariante durch eine/n Genetiker/in führen.

Das Problem der Varianten unklarer Signifikanz (VUS)

Wenn es unklar ist, ob eine gefundene Genvariante krankheitsauslösend ist oder nicht, wird sie als VUS (Variante unklarer Signifikanz, Klasse 3) eingestuft, selbst dann, wenn sie auf einem bekannten Gen liegt. So wird zum Beispiel eine neue Variante, die noch nie bei einem ARVC-Patienten in der medizinischen Literatur beschrieben wurde, als VUS eingestuft. Erst wenn weitere Patienten mit gesicherter ARVC-Diagnose und einer Genveränderung an der gleichen Stelle irgendwo auf der Welt gefunden werden, kann die Variante dann hochgestuft werden auf Klasse 4 oder 5.

Bei einer VUS lohnt es sich, in Abständen von 2-5 Jahren beim Labor nachzufragen, ob sich die Klassifikation der VUS geändert hat. Das Labor kann dann in einer Gendatenbank nachschauen, was sich in der Zeit seit der letzten Abfrage getan hat. 

Wenn ein Genbefund als VUS eingestuft wird, sollte regelmäßig eine Neubewertung (Re-Evaluation) vorgenommen werden. Dann besteht die Möglichkeit, dass die Variante hochgestuft wird und doch als krankheitsverursachend eingeschätzt oder andersherum zu einer gutartigen Variante heruntergestuft wird.

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FAQ Genetische Diagnosekriterien – Häufig gestellte Fragen

Da bei einer Variante unklarer Signifikanz (VUS oder Klasse-3-Variante) unklar ist, ob sie wirklich krankheitsverursachend ist, werden Familienangehörige in der Regel nicht darauf getestet, um möglicherweise gesunde Personen nicht unnötig „krank zu machen“.
Ggf. lohnt es sich, das Thema in einem Gespräch mit Kardiologen/-innen und Genetiker/-innen zu diskutieren.

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen – Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
Schulze-Bahr E, Klaassen S, Gerull B et al., Kardiologie 2023; 17:300–349
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00622-3

Pocket-Leitlinie: Kardiomyopathien - Leitlinien für das Management von Kardiomyopathien (Version 2023)
Meder B, Eckardt L, Falk V et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2024/pocket-leitlinien-kardiomyopathien-version-2023/

2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies
Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR et al. ESC Scientific Document Group, Eur Heart J. 2023 Aug 25:ehad194
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Vortrag „Genetik bei ARVC“
Prof. Dr. med. Eric Schulze-Bahr, Institut für Genetik von Herzerkrankungen, Universitätsklinikum Münster
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 17.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Vortrag „ACM: Kausale Gene, Umgang mit Varianten unklarer Signifikanz (VUS) und genetische Diagnostik bei Kindern“
PD Dr. med. Dominik Westphal, Munich Consortium des European Reference Networks ERN GUARD-Heart, Klinikum Rechts der Isar der TU München
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 16.06.2023
https://www.youtube.com/watch?v=XprLLxfLHso

Pocket-Leitlinie: Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes (Version 2022)
Eckardt L, Bosch R, Falk V, et al. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2023) - ESC Pocket Guidelines, Börm Bruckmeier Verlag GmbH
https://leitlinien.dgk.org/2023/pocket-leitlinie-ventrikulaere-arrhythmien-und-praevention-des-ploetzlichen-herztodes-version-2022/

2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death
Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M et al. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):3997-4126
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262

European Heart Rhythm Association (EHRA)/Heart Rhythm Society (HRS)/Asia Pacific Heart Rhythm Society (APHRS)/Latin American Heart Rhythm Society (LAHRS) Expert Consensus Statement on the State of Genetic Testing for Cardiac Diseases
Wilde AAM, Semsarian C, Márquez MF et al. Heart Rhythm. 2022 Jul;19(7):e1-e60
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2022.03.1225

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin JA, McKenna WJ, Abrams DJ et al. Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Vortrag „Genetik bei ARVC, molekulare Autopsie und Register“
Prof. Dr. rer. nat. Hendrik Milting, Kardiogenetik Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen
Prof. Dr. Peter van Tintelen, Kardiogenetik, UMC Utrecht, Niederlande
Symposium "ARVC-Selbsthilfe trifft Fachwissen", München, 23.02.2019
Vortragsfolien
https://www.youtube.com/watch?v=PzkIJuaihoQ

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: An Update on Pathophysiology, Genetics, Diagnosis, and Risk Stratification
Paul M, Wichter T, Fabritz L et al. Herzschrittmacherther Elektrophysiol. 2012 Sep;23(3):186-95
https://doi.org/10.1007/s00399-012-0233-7

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner A, Brunckhorst C, Duru F. Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623


Letzte Aktualisierung: 01.10.2024

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